Im Sommer steigt die Reiselust und viele Menschen nutzen das Flugzeug für ihren Urlaub. Doch in Zeiten des Klimawandels stellt der Flugverkehr ein Problem dar. Wäre die Luftfahrtindustrie ein Land, würde sie laut EU-Kommission zu den zehn größten Umweltverschmutzern der Welt gehören.
Im Jahr 2018 flogen laut Schätzungen 2 bis 4 Prozent der Weltbevölkerung international, so eine Studie, die im Fachmagazin „Global Environmental Change“ veröffentlicht wurde. Die International Air Transport Association rechnet mit einem weltweiten Passagierwachstum von durchschnittlich 3,8 Prozent pro Jahr. Im Vergleich zu 2023 würde dieses Wachstum bis 2043 mehr als vier Milliarden zusätzliche Passagierreisen bedeuten.
Um das globale Ziel zu erreichen, den durchschnittlichen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, muss sich auch in der Luftfahrtbranche etwas ändern. Aber was?
Was bedeutet klimaneutral?
Eine Antwort auf diese Frage liefern Forscher:innen des Paul Scherrer Instituts, des Potsdam Instituts und der ETH Zürich. Sie haben in ihrer Studie aus dem Jahr 2023, die im Fachjournal “Nature Communications“ erschienen ist, berechnet, wie und ob der Flugverkehr bis 2050 klimaneutral werden kann. Dabei haben sich die Wissenschafter:innen auf E-Fuels und CO2-Speicherung fokussiert.
Klimaneutral fliegen bedeutet, dass wir große Strecken mit dem Flugzeug zurücklegen können ohne zusätzliche Emissionen auszustoßen, oder nicht vermeidbare Emissionen zu kompensieren. Bis 2100 werden die CO2-Emissionen ohne Gegenmaßnahmen dreimal so hoch sein wie 2018, so die Studienautor:innen.
Es geht nicht nur um CO2
Der Flugverkehr macht laut der Studie 2,5 der weltweiten CO2-Emissionen aus. In den vergangenen zwanzig Jahren hat sich die Treibstoffeffizienz von Flugzeugen jährlich um 2 Prozent verbessert. Doch im gleichen Zeitraum ist auch die Nachfrage im Flugverkehr um jährlich vier Prozent gestiegen, so die Studie.
Neben CO2 entstehen beim Fliegen aber auch andere Emissionen, zum Beispiel durch Stickoxide oder Kondensstreifen aus Wasserdampf. Diese machen laut den Autor:innen der Studie rund 80 Prozent der Klimawirkung des Flugverkehrs aus.
Sustainable Aviation Fuels sind die große Hoffnung
Da Fliegen also einen wesentlichen Einfluss auf das Klima hat, wird weltweit nach Lösungen gesucht, die Emissionen im Flugverkehr zu senken. Wissenschafter:innen und die Flugbranche setzen große Hoffnungen in sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF) bzw. Synthetische Kraftstoffe.
Das sind zum Beispiel alte Speisefette, aber auch E-Fuels, die aus Wasserstoff und CO2 mit viel Energie hergestellt werden. Klimaneutral sind diese Treibstoffe, wenn sie mithilfe von erneuerbaren Energieträgern hergestellt werden.
Technisch sei die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen kein Problem, sagt Daniel Huppmann, Klimawissenschafter beim International Institute for Applied System Analysis (IIASA): “Es gibt derzeit aber nur ein paar Pilotprojekte und damit sind wir weit entfernt davon, dass diese einen nennenswerten Einfluss am Kerosinmarkt haben.”
Den starken Fokus auf Sustainable Aviation Fuels sieht Huppmann kritisch: “Das Problem ist, so viel Schnitzel essen wir gar nicht, dass wir daraus nennenswerte Mengen an Sustainable Aviation Fuels produzieren können.” Die Gefahr sei, dass man dann andere Produkte verwendet oder den Strom, den wir für andere Lebensbereiche benötigen, um die erforderlichen Mengen zu erreichen.
EU-Ziele sind ehrgeizig
Im Rahmen der ReFuelEU-Initiative sollen ab 2025 zwei Prozent des Kerosins durch diese synthetischen Treibstoffe ersetzt werden. Ab 2063 soll Kerosin komplett ersetzt werden. Derzeit reicht das Angebot an Sustainable Aviation Fuels aber nicht aus, um die Nachfrage zu decken und die gesteckten Ziele zu erreichen, so die Studie.
Die Autor:innen der Nature-Studie beurteilen die Ziele der EU als sehr ehrgeizig. Um die 2030-Ziele der EU zu erreichen, müsste sich die Produktion von Sustainable Aviation Fuels verdreifachen, heißt es in einer Studie von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC.
Kann Fliegen klimaneutral sein?
“Derzeit gibt es kein klimaneutrales Fliegen, auch wenn es uns die Werbung immer wieder verkaufen möchte”, so Klimawissenschafter Huppmann. Denn auch Kompensationszertifikate seien nicht die Lösung. Wenn man ein Flugticket kauft, kann man sich zum Beispiel entscheiden einen freiwillige Aufpreis zu zahlen. Fluglinien wollen dieses Geld in Projekte für den Klimaschutz investieren.
“Dieser private, unregulierte Kompensationsmarkt ist extrem intransparent”, kritisiert Huppmann. Das Problem an diesen privaten Kompensationen sei auch, dass diese oft wissenschaftlich nicht haltbar seien.
Um das Problem an klimaschädlichen Emissionen, die durch den Flugverkehr entstehen, zu lösen, empfiehlt er zum Beispiel Marktmechanismen im Sinne von Preisen, die schädliche Auswirkungen von Flügen bereits miteinkalkuliert haben. “ Das eigentliche Problem, nämlich das der klimaschädlichen Emissionen, kann nur durch eine starke Regulierung, also durch staatliches oder überstaatliches Eingreifen in den Griff bekommen werden”, so Huppmann.
Weniger Fliegen hilft die Emissionen zu reduzieren
Die Nature-Studie zeigt: Klimaneutrales Fliegen ist in Zukunft theoretisch möglich. Sie zeigt aber auch: Nur den Treibstoff zu ersetzen reicht nicht. Zusätzlich brauche es eine Reduktion des Flugverkehrs.
Denn die Herstellung von Sustainable Aviation Fuels braucht viel erneuerbare Energie oder Rohstoffe, die uns dann in anderen wichtigen Bereichen fehlen könnte und noch gäbe es nicht genug Kapazitäten, um die nicht zu vermeidenden Emissionen zu speichern.
Auch Daniel Huppmann spricht sich dafür aus, Emissionen im Flugbereich zu senken, indem wir weniger fliegen. “Das wird auf die nächsten fünf bis zehn Jahre die einzige Möglichkeit sein, im Flugsektor tatsächlich eine Emissionsreduktion auf den Boden zu bringen”, sagt Huppmann. Je nachdem wie die Entwicklung voranschreitet, können Sustainable Aviation Fuels einen Beitrag zum klimaneutralen Fliegen liefern. Das wird dann aber auch mehr kosten.
Quellen:
Foto von Bornil Amin auf Unsplash
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