Wie Pona-Gründerin Anna Abermann nach der Insolvenz den Neustart schaffte

Portrait von Anna Abermann von Mato Johannik, Insolvenz

Hohe Finanzierungskosten und die Inflation treiben aktuell die Insolvenzzahlen nach oben. In Österreich waren es im Jahr 2023 5.380 Unternehmen, die ihre Rechnungen nicht mehr begleichen konnten. Das ist ein Anstieg von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr, heißt es vom Gläubigerschutzverband KSV1870. Dieser Trend setzt sich 2024 fort. Allein in den ersten sechs Monaten wurden 2.098 Insolvenzen eröffnet, was der höchste Wert seit 15 Jahren ist, wie der Alpenländische Kreditorenverband mitteilte. 

In Deutschland wurden im ersten Halbjahr 2024 11.000 Unternehmensinsolvenzen gemeldet, teilt die Unternehmensgruppe Creditreform mit. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dieser Wert einem Anstieg von 30 Prozent. Anna Abermann, Gründerin des Bio-Getränkeherstellers PONA hat erlebt, wie es ist, wenn das eigene Unternehmen pleite geht. Im Interview teilt sie ihre Learnings und erzählt, wie das Unternehmen schließlich doch noch gerettet werden konnte. 

Was hat dazu geführt, dass Sie mit Ihrem Unternehmen Insolvenz anmelden mussten? 

Es war natürlich kein einzelner Umstand, sondern es hat sich abgezeichnet. Im März 2020 kam Covid und alle Gespräche mit potentiellen Investor:innen wurden sofort gestoppt. Wir konnten zwar in den zwei Jahren Covid wachsen, aber die Kosten sind im Hintergrund enorm gestiegen. Mit dem Ukraine-Krieg im Jahr 2022 hat sich das noch einmal verstärkt. Dann ist der Absatz das erste Mal eingebrochen und es kamen ein paar Dinge zusammen: Rückzahlungen aus der Stundung, erhöhte Kosten, die Inflationserhöhung oder die Glasknappheit am Glasmarkt. 

All diese Punkte haben dazu geführt, dass wir Ende 2022 gesehen haben, dass wir ein Liquiditätsproblem bekommen werden und deshalb mussten wir für 2023 sehr knapp planen. Wir haben schon erste Maßnahmen zur Kostenreduktion gesetzt, Personal entlassen und gewusst, 2023 wird ein extrem schwieriges Jahr für uns. 2023 ist es dann zum ersten Mal zu einem Absatzrückgang gekommen. Wir haben dann noch eine Kapitalerhöhung im Eigentümerkreis gemacht, die aber nicht ausgereicht hat. Dann hat sich einfach niemand mehr getraut, Kapital zu investieren. Wir haben keine Möglichkeit mehr gesehen außer der Insolvenz. 

Was war für Sie in dieser Zeit am schwierigsten? 

In dieser Zeit hatte ich viele Selbstzweifel und hinterfragte mich ständig als Geschäftsführerin: Was habe ich falsch gemacht? Hätte ich es abwenden können? Was hätte ich anders machen sollen? War ich zu wenig aggressiv in der Investorensuche? Ich fragte mich, ob ich die richtige Person für diesen Job war oder ob jemand anderes es geschafft hätte, das Ruder herumzureißen.

Gleichzeitig musste ich das bestehende Personal motivieren und ihnen Hoffnung geben, damit die Stimmung nicht komplett den Bach runterging. Es war schon schwierig genug, und sie bekamen natürlich mit, wie es lief. Im Nachhinein weiß ich gar nicht mehr, wie ich diesen Spagat geschafft habe. Irgendwie geht es dann immer. Jetzt im Nachhinein erscheint diese Zeit fast verschwommen und fühlt sich fast wie ein böser Traum an.

Wie ist das Insolvenzverfahren bei Ihnen abgelaufen? 

Wir haben ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung angestrebt, was bedeutet, dass ein Masseverwalter eingesetzt wird, der gleichzeitig auch die Geschäftsführung übernimmt. Das heißt, als Geschäftsführer ist man de facto entmachtet. Ich muss aber sagen, unsere Masseverwalterin war wirklich großartig. Während der Sanierung ist es das Ziel, einen Käufer oder Investor zu finden. Das ist uns jedoch nicht gelungen, da unsere potenziellen Investoren aufgrund unserer Schuldensituation einen klaren Schnitt und keine Risiken eingehen wollten. Deshalb wollten sie eine neue Firma gründen, um eine höhere Rechtssicherheit zu gewährleisten. 

Wie ging es dann weiter? 

In diesem Prozess haben wir dann im Rahmen eines Asset-Deals mit einem neuen Käufer ein neues Unternehmen gegründet, das die Unternehmenswerte aus der Konkursmasse erworben hat. Das führte zu einem sehr positiven Ergebnis, da wir jemanden gefunden haben, der unsere Werte versteht und bereits im gleichen Zielmarkt aktiv ist, wenn auch mit einem anderen Produkt und in einer anderen Kategorie. Dieser neue Partner bringt viel Erfahrung in der Branche mit, und wir hätten uns keinen besseren Ausgang wünschen können. 

Was hat sich durch den neuen Partner geändert? 

Unser neuer Partner, mit dem wir den Asset-Deal abgeschlossen haben, hatte eine klare Bedingung: Ich sollte weiterhin das Unternehmen leiten. Für mich war das keine Frage des Müssens, sondern des Dürfens, da ich so maßgeblich am neuen Unternehmen beteiligt bin. 

Seine Botschaft war eindeutig: Er sah den Misserfolg nicht als Ergebnis meiner persönlichen Entscheidungen, sondern als Folge des wirtschaftlichen Umfelds und einiger Fehler, die wir gemacht haben. Trotzdem meinte er, ich sei das Gesicht des Unternehmens und müsse weitermachen. Er würde mich dabei gerne unterstützen, aber ich solle Geschäftsführerin bleiben.

Wie beurteilen Sie das Insolvenzverfahren im Nachhinein?

Es ist nicht so schlimm, wie man glaubt. Man ist nicht die erste Person, die pleite geht. Manchmal gibt es einfach keinen anderen Weg, und es kann trotzdem gut ausgehen. Es ist wichtig, die Hoffnung nicht zu verlieren und zu akzeptieren, dass es manchmal keinen anderen Weg gibt. Das bedeutet aber nicht, sich als Versager zu sehen. Jeder macht Fehler, kein Unternehmer ist fehlerfrei. Ein Unternehmen zu führen heißt auch, durch schwierige Zeiten und Krisen zu gehen und manchmal auch eine Schlacht zu verlieren, um den Krieg auf lange Sicht zu gewinnen.

Sie haben schon von der guten Zusammenarbeit mit der Masseverwalterin erzählt. Was war das Besondere daran? 

Nach dem zweiten oder dritten Termin mit der Masseverwalterin, bei dem ich mich oft entschuldigte, dass wir in Insolvenz sind, sagte sie zu mir: „Frau Abermann, wissen Sie, ein Mann würde das nie tun. Ein Mann würde sich nie dreimal dafür entschuldigen, dass er in Insolvenz ist.“ Sie betonte auch, dass ich nicht die Erste sei, die Insolvenz anmelden musste, und auch nicht die Letzte sein werde. 

Sie sagte, ich hätte mir nichts zu Schulden kommen lassen und hätte keine gröberen Fehler gemacht als viele andere, die trotzdem nicht in Insolvenz gehen mussten. Diese Worte waren für mich unglaublich wichtig, und das ist etwas, das ich an Menschen in einer ähnlichen Situation weitergeben möchte: Es ist nicht das Ende der Welt. Es kann trotzdem einen positiven Ausweg geben. 

Wie schafft man den Weg aus einer Pleite? 

Wenn man sich bereits in dieser Situation befindet und sie nicht mehr abwenden kann – so wie es bei uns der Fall war – ist mein Ratschlag, der Situation ganz ehrlich ins Gesicht zu schauen. Wir haben zuvor viel probiert, um die Insolvenz abzuwenden, aber das war nicht erfolgreich. 

Deshalb ist es wichtig, ehrlich zu erfassen: Was ist jetzt die Situation? Warum ist es passiert? Bei uns war es zum Beispiel ein Liquiditätsthema, das aufgrund einer Kombination aus verschiedenen Umständen nicht mehr zu lösen war. Es könnte aber auch sein, dass der gesamte Business Case nicht aufgeht.

Was haben Sie daraus gelernt? 

Ein großes Learning für mich war definitiv, viel früher um Hilfe zu bitten und dabei sehr transparent zu sein. So kann jemand entscheiden, ob er dir wirklich helfen kann oder nicht. Durch diese Offenheit habe ich wahnsinnig viel positives Feedback und echte Unterstützungsangebote bekommen.

Foto: Mato Johannik (studiomato) 

 

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